Der Körperbehindertenverein, Kombibad und Architekten

 

Der neue Vorsitzende Oswald Tretter spricht über Herausforderungen und Ziele des Körperbehindertenvereins, den es 2023 50 Jahre geben wird.

 


Oswald Tretter ist der neue Vorsitzende des Körperbehindertenvereins Ostwürttemberg. Foto: dat

 

Der Körperberhindertenverein Ostwürttemberg feiert im kommenden Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Der neue Vorsitzende Oswald Tretter hat sich fürs Jubiläumsjahr viel vorgenommen. „Wenn du dich nicht einbringst, wirst du nicht gehört“, sagt er und versucht dies auch seinen Mitgliedern klarzumachen. Aktuelles Beispiel: das Aalener Kombibad.

 

„Es muss sich noch viel in den Köpfen ändern.“   Oswald Tretter, Körperbehindertenverein

 

Tretter ist auch Mitbegründer des Beirats für Menschen mit Behinderung. Dieser Beirat ist ein ehrenamtliches, unabhängiges und nicht weisungsgebunden tätiges Gremium zur Wahrnehmung der Belange der Menschen mit Behinderungen in der Stadt Aalen.

 

Tretter findet es grundsätzlich gut und richtig, dass dem Beirat die Pläne für das Kombibad vorgestellt wurden und sich Menschen mit Behinderung einbringen und Vorschläge zur Barrierefreiheit machen können. Deshalb lautet der Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention: „Nicht ohne uns über uns“. Doch er sieht aktuell noch ein grundsätzliches Problem.

 

 

 

Warum Architekten den Beirat brauchen

 

„Die Architekten brauchen uns“, sagt er. Für Barrierefreiheit gebe es noch immer keine richtigen, etablierten Standards. Vieles, was als barrierefrei angesehen werde, stelle sich dann im Alltag oft als praxisfern heraus. „Architekten müssen barrierefrei gleich richtig von Anfang an mitdenken“, fordert Tretter. Sonst müsse man hinterhersteuern, was mit zusätzlichen Kosten verbunden sei.

 

Und überhaupt könne es eigentlich nicht sein, dass ehrenamtliche Mitglieder die Arbeit von Architekten übernehmen.

 

Vielmehr sollte es so sein, dass beispielsweise über den Beirat für Menschen mit Behinderung noch praktische Ergänzungen oder Tipps gegeben werden – diese Mitglieder sich aber nicht mit komplizierten Bauplänen beschäftigen müssen.

 

„Architekten müssen den Weitblick lernen“, sagt Tretter. Dazu gehöre es, nicht nur die Belange von Gehbehinderten zu berücksichtigen, sondern gleichermaßen zu schauen, wie beispielsweise Blinde oder Gehörlose mit den geplanten Begebenheiten klarkommen. So sei erst im Nachhinein klar geworden, dass beispielsweise die Rampen im Kombibad zu lang und steil seien. Die Lösungen sind jetzt ein geringfügig flacheres Gelände und ein Aufzug, den Oswald Tretter begrüßt.

 

Schade findet er, dass lediglich eine Art Kran am Wasserbecken geplant sei, um wie schon im Hirschbachfreibad Gehbehinderte ins Wasser zu heben. „Es gibt deutlich bessere Lösungen“, sagt er und verweist auf den „Atlas barrierefrei bauen“ – ein großes Sammelwerk mit zahlreichen Beispielen von Experten. So sei auch eine Plattform denkbar, die den Rollstuhl mit ins Wasser hebt. Oder eine lange Rampe, auf der man selbst ins Wasser rollen kann. Zumindest eine Diskussion über diese Optionen würde er sich wünschen. Vielleicht sei ja ein Sponsor für die teureren Lösungen denkbar. Er verweist auf den Erfahrungsbericht einer Frau, die sich an einem solchen Lift gefühlt habe „wie ein nasser Sack“. Außerdem sei man mit einem solchen Lift immer auf eine weitere Person angewiesen.

 

Er sieht und begrüßt die Planungen für barrierefreies Bauen. Der Wille sei da. „Doch das grundsätzliche Denken fehlt noch vielen Architekten“, sagt er. Dies treffe auch auf den Wohnungsbau zu. Zu oft werde da noch für einen Lebensabschnitt geplant, nicht für ein ganzes Leben, kritisiert er.

 

 

Tretter: Aalen ist auf einem guten Weg

 

Alles in allem sei man in Aalen auf einem guten Weg, findet er. „Doch es muss sich noch viel in den Köpfen ändern“, sagt Tretter. Damit das gelingt, wolle der Körperbehindertenverein im kommenden Jubiläumsjahr einige Zeichen setzen, mit Veranstaltungen auf sich aufmerksam machen und vor allem auch junge Mitglieder gewinnen.

 


Der Körperbehindertenverein Ostwürttemberg

Gegründet am 26. Januar 1973 unter dem Namen „Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter und anderer körperbehinderter Kinder und Jugendlicher (VSKK)“. Ein gutes Jahr später startete der Schulbetrieb an der Konrad-Biesalski-Schule in Wört, im September 1975 wird im dortigen „Rosengarten“ auch der Kindergartenbetrieb aufgenommen. 1987 gab es die erste Prunksitzung für Behinderte des Ostalbkreises und die Namensänderung des Vereins. Seit Dezember 2006 engagiert sich der Verein in „Aalen barrierefrei“. Im April 2009 erhält Aalen den Behinderten-Beirat.